Dokumentenirrsinn in China

Wer glaubt, heiraten sei einfach, hat wohl noch nie mit chinesischem Beamtentum zu tun gehabt. Laut Meerbuscher Standesamt werden nur zwei Formulare gebraucht. Klingt einfach und unkompliziert. Diese zu beschaffen gleicht jedoch dem Holen des „Passierscheins A 38“ aus „Asterix erobert Rom“. Denn was das Standesamt nicht wusste: Für Personen, die vor 1996 geboren sind, ticken die Uhren anders. Denn erst seit 1996 gibt es in China ein einheitliches Urkundenwesen, und somit auch erst seit 1996 einheitliche Geburtsurkunden, die im ganzen Land anerkannt werden. Dadurch wurde die Beschaffung dieser um ein vielfaches vereinfacht. Das traf bei uns leider nicht zu.
Wer also einen Chinesen oder eine Chinesin heiraten möchte, dem kann ich nur empfehlen, jemanden zu finden, der/die nach 1996 geboren wurde… ;-)

 
Aber der Reihe nach.

Am ersten Tag (Montag) ging es zunächst zur Provinzbehörde der Provinz Hunan, um eine Ledigkeitsbescheinigung zu bekommen. Die braucht das Standesamt in Deutschland, um zu sehen, dass der Chinesische Partner nicht schon in China verheiratet ist. Da viele Ämter in China um 8 Uhr öffnen, waren wir auch relativ früh dort, um lange Warteschlangen zu umgehen. Wir mussten zum Amt für Hochzeiten, das jedoch erst um 9 Uhr öffnet, sodass wir doch ein wenig Wartezeit in Kauf nehmen mussten. Sei es drum, es war nicht viel los, also sollte es ja dann um 9 Uhr auch schnell gehen. Wer kann auch schon damit rechnen, dass die Provinzbehörde bereits seit 2 Tagen Netzwerkprobleme hatte? Also hieß es, sich weiterhin in Geduld üben. Nach gut zwei Stunden warten ging endlich das Netzwerk und wir bekamen die Ledigkeitsbescheinigung, natürlich mit dem wichtigen roten Stempel. Eine Stunde warten, das heißt in China auch, mit heiratswilligen Pärchen und einem rauchenden und spuckenden Vater ausharren zu müssen. Dabei schwenkte die Stimmung ständig zwischen angenervt und amüsiert sein. Zwischendurch musste auch erst mal im IT Bereich lautstark geschimpft werden. Irgendwo mussten die angestauten Emotionen raus. Gut, dass man Respekt vor älteren chinesischen Frauen/Müttern hat. Unsereins wäre wohl vom Sicherheitsdienst recht unsanft aus dem Gebäude begleitet worden.

 

Weiter ging es mit dem ersten Schriftstück zum Notariat, wovon es zwei in der Stadt Changsha gibt. Eines mit einem weniger guten Ruf und eines mit einem guten, wo man wohl auch schon mal ein Auge zudrücken würde. Wir entschieden uns dennoch für das erste, weil es verkehrstechnisch besser lag.
Im Notariat sollte eine Geburtsurkunde entsprechend ausgestellt werden, die man später in deutscher Übersetzung für die Legalisierung durch die Deutsche Vertretung benötigt. Laut vorherigen Informationen sollten dazu eigentlich die Kopien der ID-Karten des Antragstellers, der Eltern und Kopien des Haushaltsbuches, das jede chinesische Familie führt, ausreichen. Jedoch sollte diese Info nicht richtig sein und man erklärte uns, welche Stempel und wie viele Kopien von sämtlichen Stammbuchblättern und Ausweisen wir noch brauchen. Eigentlich war nach dem kurzen Gespräch alles klar, und so mussten wir zur nächsten Station, der zuständigen Polizeistation, denn in China werden die Familienregister hier geführt. Zunächst waren wir natürlich auf der falschen und das ganze kurz vor Mittagessenzeit.
 
In der richtigen Station ging es nach einem Mittagessen aber dafür umso schneller. Fix hatten wir Kopien vom Stammbuch – natürlich wieder mit dem wichtigen Stempel.
Damit also zurück zum Notariat, aber zu dem anderen, das diesmal günstiger für uns lag. Schnell noch ein paar Passfotos gemacht und kaum im Notariatsbüro angekommen, wurde uns klar, worin der Unterschied zwischen den beiden Notariaten besteht. Denn hier wurde schon eine Stunde vor Feierabend keine Nummer mehr für den Tag vergeben, während im anderen Notariat am Vormittag gähnende Leere war und die paar Beamtinnen mit Taobao oder dem Handy beschäftigt waren.
 
Und so mussten wir bis zum nächsten Morgen warten, und fuhren dann wieder zum ersten Notariat, damit die Mädels doch etwas zu tun hatten. Das war wohl ein Fehler, denn schon erkannte man die Chance zu zeigen, dass man etwas zu sagen hat. Es stellte sich nämlich nach lauter und langer Diskussion heraus, dass die Kopien des Haushaltsbuches und die Familienstammbuchkopien mit Stempel nicht ausreichen. Man braucht zusätzlich ein gestempeltes Dokument mit entsprechendem Wortlaut, das bestätigt, dass die heiratswillige Person auch wirklich das Kind von Mutter X und Vater Y ist und die Eltern noch verheiratet sind. Das hätte man uns zwar auch am Vortag sagen können, und diese Informationen stehen auch in der Familienstammbuchkopie, aber Vorschriften sind Vorschriften.
 
Da es noch recht früh war (gegen 9:30Uhr), wollten wir unser Glück beim anderen Notariat versuchen, vielleicht drücken die bei uns ein Auge zu und arbeiten für die Bürger, und nicht für sich selbst. Aber auch gute 2,5 Stunden vor der Mittagspause wurden keine Nummern mehr für vormittags vergeben. Für nachmittags wiederum werden Nummern erst am Nachmittag vergeben. Nun kann ich verstehen, warum es Menschen in China gibt, die andere dafür bezahlen, in einer Warteschlange zu stehen, und kurz vorm Drankommen erst selbst erscheinen.
 
Also doch wieder zur zuständigen Polizei und die zuvor getippte und ausgedruckte Bestätigung abstempeln lassen. Die gleiche Polizistin vom Vortag war wieder sehr nett und drückte den Stempel auch gleich auf das Dokument.
Nun wieder zum Notariat, wieder 20 Minuten Autofahrt und wieder in die 4. Etage und das kurz vor der Mittagspause. Ob wir noch dran kommen?
Glück gehabt, wir wurden von der „netten Person“ doch noch bearbeitet, und auch jetzt waren wir die einzigen im Notariatsbüro. Und nun waren tatsächlich alle Dokumente komplett und wir brauchten nur noch fix die Kosten für die Übersetzung zu überweisen. Zum Glück ist eine Bank direkt nebenan und die Notariatsdame wartete auch brav, obwohl es schon 12:03 Uhr war.
Nach 5 Werktagen ließen wir die Dokumente abholen und zur finalen Legalisierung zur Deutschen Vertretung schicken, in der Hoffnung, dass keine weiteren Überraschungen auf uns warten.
 
Es kam – Gott-sei-Dank – keine Überraschung und so gingen die Dokumente, die wir nochmal in Deutschland übersetzen lassen mussten, problemlos für die Befreiung zur Eheschließung durch die Behörden, wenn auch mit Wartezeit verbunden. Und im Mai war es dann auch endlich soweit, und wir konnten uns das Ja-Wort geben.
 
Trotz der nervenaufreibenden Behördengänge, langer Wartezeiten in Deutschland und der ganzen Kosten für diverse Kopien (je 1¥), Passfotos (30¥), Übersetzung in China (930¥), Notariat (300¥), Legalisierung (1750¥), Übersetzungskosten in Deutschland, Kosten für die Befreiung zur Eheschließung durch das Oberlandesgericht und dem Aufwand für Zeit, Bus und Taxi, würde ich diesen Weg für meine Partnerin immer wieder wählen, um die Frau, die ich liebe in unserer nun gemeinsamen Heimat zu heiraten und nicht in einem Drittland, zu dem wir keine emotionale Beziehung haben. Wir können Euch, die auch diesen Schritt wagen wollen, nur dazu ermutigen, denn spätestens am Tag der Hochzeit war dieser ganze Stress komplett vergessen und verziehen. Es bleiben dann nur Erinnerungen und dieser Artikel.