CHRISTIAN Y. SCHMIDT SAGT 再见 (ZAI JIAN)

Wer kennt ihn nicht? Satiriker, Kolumnist und Buchautor etlicher Chinabücher, wie zum Beispiel “Bliefe von Dlüben” oder “Allein unter 1,3 Millarden”, welches sogar ins Chinesische übersetzt wurde.

Aber mit dem Schreiben aus und über China soll nun mit dem vor kurzem erschienenen Buch “Im Jahr des Hasendrachen” ein Schlusspunkt gesetzt werden. Und so begab sich Christian Y. Schmidt zum (vorerst) letzten Mal auf eine Lesetour durch die Republik. Während seiner “Großen Hasendrachen Tour” hatte ich die Gelegenheit, sich mit dem bekannten Schriftsteller über sein Buch und sein Leben in China zu unterhalten.

 

 

FM: Vor kurzem ist dein neues Buch erschienen „Im Jahr des Hasendrachen“. Und wie man im Vorwort schon entnehmen kann, wird es vorerst das letzte sein, da du das Kolumnenschreiben für die TAZ an den Nagel hängen möchtest. Kann ich nun meine Hoffnungen auf das Werk „Im Jahr des Schweinehundes“ damit endgültig begraben?

CYS: Das nächste Jahr des Hundes ist das Jahr 2018. Darauf folgt das Jahr des Schweins. Was in diesen Jahren sein wird, weiss niemand. Sollte ich dann allerdings in irgendeinem Medium wieder eine China-Kolumne schreiben, wird das daraus entstehende Buch nicht „Im Jahr des Schweinehundes“ heissen, sondern „Im Jahr des Hundeschweins“. Dieses Tier sieht nämlich viel besser aus und ist auch intelligenter.

 

FM: „Im Jahr des Hasendrachen“ ist eine Sammlung vieler Kolumnen der letzten 2 Jahre. Warum muss man dieses Buch deiner Meinung gelesen haben?

CYS: Muss man ja gar nicht. Man kann auch leben, ohne eine Zeile von mir gelesen zu haben. Okay, nicht sehr gut wahrscheinlich, aber es geht. Und wer meint, sowieso schon alles über China aus den deutschen Mainstreammedien zu erfahren, der braucht „Im Jahr des Tigerochsen“ auch nicht. Genauso wenig wie diejenigen, die schon alles über Drahtpenisfrauen, Puky-Spionage, Wendiismus, Peking Palmen oder das Dickland-Dilemma wissen. Der Rest aber könnte durchaus zu dem Buch greifen. Aber aufgepasst: Es könnte sein, dass man sich an einigen Stellen amüsiert. Wer das nicht will, dem empfehle ich: Hände weg von „Im Jahr des Hasendrachen“.

 

FM: Gibt es nach all den Jahren in China noch etwas, worüber du überrascht oder erstaunt bist? Oder haut dich mittlerweile nichts mehr vom Hocker? Und siehst du Chinesen mittlerweile mit einem lachenden oder einem weinenden Auge, oder beides?

CYS: Ich staune eher über die Deutschen, wenn ich mich in Deutschland aufhalte. Dass jetzt alle Frauen in den U-Bahnen und Zügen diese Mittelalterschinken wie „Die Tochter der Wanderhure“ oder „Der Traum der Hebamme“ lesen müssen – hat das die hiesige Regierung so befohlen? Ausserdem ist mir aufgefallen, dass die Fussballpropaganda in den Medien in Deutschland in den letzten Jahren immer schlimmer geworden ist. Ich vermute mal, dass so von den Problemen ablenken soll, die die Regierung hier hat. Wahrscheinlich fürchtet man soziale Unruhen.

 

FM: Verfolgst du eigentlich auch die Medienlandschaft in China?

CYS: Verfolgen schon. Ich habe sie aber noch nicht eingeholt, weil mein Chinesisch dafür nicht ausreicht. Allerdings lese ich ein paar chinesische Medien auf Englisch. Und über den Rest hält mich meine Frau auf dem Laufenden.

 

FM: Gibt es dort auch Satiremagazine? Was ist der Unterschied zu Deutschland, z.B. zur Titanic oder Postillion? Auf was bezieht sich die Satire meistens.

CYS: Es gibt ein Magazin. Das heisst „Fengci yu youmo“ (Satire und Humor) und wurde 1979 in Shanghai gegründet. Das Blatt erscheint wöchentlich im Verlag der Renmin Ribao. Anders als in den Achtziger wird es allerdings heute kaum mehr gelesen, was ganz sicher am Internet liegt. Ich habe vor Jahren mal ein paar Hefte in der Hand gehabt. Da gingen die Witze hauptsächlich auf Kosten von korrupten Beamten. Schlimm. Wo die doch das Land zusammenhalten.

 

FM: Wie oft wurde die chinesische Ausgabe „Allein unter 1.3 Milliarden“ bereits verkauft, mein Exemplar mal abgezogen. Verstehen die Chinesen deinen Humor, oder haben die einen anderen Humor, als wir Deutsche?

CYS: Die komplette Auflage von 4.000 oder 5.000 Exemplaren ist vergriffen. Und zwar so vergriffen, dass der neue Verleger von meinem Verlag Central Compilation & Translation Press neulich in seinem Blog geschrieben hat, dass er sich das Buch bei Amazon China bestellt hat. Es gab also kein einziges Exemplar in seinem eigenen Verlag mehr. Das ist schon ein ordentliches Ergebnis.

Und viele Chinesen verstehen meinen Humor sicherlich nicht. Wahrscheinlich sogar die meisten. Das ist aber in Deutschland nicht anders. Doch sowohl in Deutschland als auch in China gibt es eine wachsende Minderheit, die das gerne lesen, was ich schreibe. Das habe ich gerade im letzten Jahr gemerkt. Da haben mich einige grosse chinesische Magazine interviewt. Der Literaturredakteur von Sanlian Shenghuo, so was wie dem chinesischen Spiegel, hat sogar gemeint, „Allein unter 1,3 Milliarden“ sei besser als „Country Driving“, das der ehemalige China-Korrespondent des „New Yorker“, Peter Hessler, geschrieben hat. Da war ich natürlich sehr geschmeichelt.

 

FM: Zum Thema Humor: Kennst du auch chinesische Witze? Welcher wäre dann dein Lieblingswitz?

CYS: Ich kann mir keinen Witz merken, weder ein chinesischen noch einen deutschen. Darum muss ich mir ja immer wieder selbst neue komische Wendungen ausdenken. Das ist natürlich sehr unökonomisch, aber leider nicht zu ändern.

 

FM: Was hat sich in den letzten Jahren, zwischen „Bliefe von Dlüben“ bis heute in den Fussballstadien Chinas geändert? Und fühlst du dich mittlerweile noch als Deutscher, oder hast du schon zu viel der chinesischen Sitten und Bräuche angenommen?

CYS: Ich gehe ja nicht ins Fussballstadion. Ich glaube nicht an diesen Fussballquatsch. Dass alle einen Verein haben müssen, den sie gut finden, und diese ganze Fachsimpelei. Okay, wenn Arminia Bielefeld wieder in die erste Liga aufsteigen würde, dann wäre das anders…

Und natürlich habe ich chinesische Sitten angenommen. Ich rotze zum Beispiel auch sehr gerne auf die Straße. Der Schleim darf ja nicht im Körper bleiben, das schadet der Gesundheit, Du verstehst? Für das Rotzen werde ich dann ausgerechnet von meiner chinesischen Frau immer wieder zusammengestaucht. Ich kann auch beim Essen rauchen und andere chinesische Tricks.

 

FM: Auf was freust du dich am meisten, wenn du nach langer Zeit wieder nach Deutschland kommst und auf was, wenn es endlich wieder zurück nach China geht? Gibt es etwas, was du vermisst? Eine ordentliche Currywurst, Pommes, Rot-Weiß zum Beispiel?

CYS: Das sind sehr viele Gerichte, die ich im Kapitel „Das Dickland-Dilemma“ im „Jahr des Hasendrachen“ aufgezählt habe. Currywurst gehört auch dazu. In China freue ich mich dann auf hong shao rou oder einfache Gerichte wie yu xiang rou si. Ein schoenes gong bao ji ding ist aber auch nie zu verachten.

 

FM: Man liest natürlich immer, wenn es um CYS geht, dass du früher bei der Titanic warst. Aber was hast du in der Zeit vorher gemacht? Darüber ist kaum etwas zu finden.

CYS: Vorher? War da was? Ich erinnere mich sehr dunkel: Ich war Schüler, Student, Soldat, Lagerarbeiter, Pflegehelfer, Packer, LKW- und Taxifahrer. Und ausserdem Redakteur der Zeitschrift „Das legendäre Dreck-Magazin“ in Bielefeld. Zusammen mit Leuten wie Hans Zippert und Fritz Tietz. Wer mehr wissen will, der lese mein Buch „Zum ersten Mal tot“. Da beschreibe ich einigen Kapitel detaillierter mein Vor-Titanic-Leben.

 

FM: Du lebst seit 10 Jahren mit einer Chinesin zusammen. Bei welchem Thema gibt es die größten multikulturellen Reibungpunkte?

CYS: In der Art, wie man diskutiert. Chinesen versuchen ja möglichst Konflikten aus dem Weg zu gehen. Ich dagegen komme aus einer protestantischen und linksalternativen Labertradition. Wenn in diesem Milieu ein Konflikt auftauchte, dann musste der sofort mittels Diskussion gelöst werden. Mit solchen Versuchen beisse ich bei meiner Frau auf Granit.

Ansonsten verteidigt sie eher die deutsche Wirtschafts- und Regierungspolitik, und ich die chinesische. Manchmal habe ich den Verdacht, sie ist eine Agentin des Merkel-Regimes, die auf mich angesetzt wurde.

 

FM: Ich bin ja auch mit einer Chinesin zusammen und kenne natürlich auch viele gemischte Paare. Was würdest du uns “jungen gemischten Pärchen“ mit auf den Weg geben, sowohl der deutschen Hälfte, als auch der chinesischen?
Was können deutsche Männer tun, ihre „chinesischen Drachen“ zu Hause dazu zu bringen, weniger Feuer zu spucken?

CYS: Einen spezifischen Rat? Habe ich nicht. Aber vielleicht kann man das sagen: Wer glaubt, die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen seien extrem gross, wird feststellen, dass das nicht stimmt. Wer aber glaubt, die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen seien praktisch nicht vorhanden, wird feststellen, dass auch das ein Irrtum ist.

 

FM: Es gibt viele Pekingreisende bei uns im Verein. Hast du einen guten Insidertipp, wo du zum Beispiel am liebsten zum Essen hingehst?

CYS: Noch ein Punkt, an dem ich mit einer generellen Auskunft überfordert bin. Wenn ich Besuch habe, entscheide ich mich immer wieder für ein anderes Restaurant, je nach Vorliebe des Besuchs. Ich selber gehe am liebsten in irgendwelche No-Name-Restaurants bei uns um die Ecke. Die zeichnen sich durch nichts Besonderes aus. Und ausserdem: Ein Insidertipp, der in einer Zeitung oder einem anderen Medium steht, ist ja keiner.